Preisträger 2011

Der Edith-Stein-Preis 2011 wurde an Henry Brandt verliehen.   

Der Göttinger Edith-Stein-Kreis würdigt mit dem Edith-Stein-Preis 2011 das herausragende Engagement von Rabbiner Brandt im interreligiösen Dialog mit Christen, aber auch mit Muslimen. Er hat daran mitgewirkt, die Grenzen, die Religionen über Jahrhunderte aufgebaut haben, zu überschreiten und sich als Brückenbauer in hervorragender Weise ausgezeichnet und bewährt.

Seit 1985 setzt er sich als jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich – Jüdische Zusammenarbeit unermüdlich für die Verständigung zwischen Christen und Juden ein. Auch in der Zeit der Diskussionen um die neue Fassung der Karfreitagsfürbitte 2008 hat er den Gesprächsfaden zur katholischen Kirche nicht abreißen lassen und beim Osnabrücker Katholikentag mitgearbeitet. Er wirkt seit langem mit als Mitglied des Gesprächskreises Juden – Christen im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und bei den jährlichen Gesprächsrunden Rabbiner – (ev. und kath.) Bischöfe in Deutschland. Als zuständiger Landesrabbiner in Niedersachsen (1983 – 1995) hat er dazu beigetragen, dass die Jüdische Gemeinde Göttingen 1994 neu gegründet werden konnte.

Göttingen, den 30. Oktober 2011

für den Vorstand des Edith-Stein-Kreises e.V.

Heiner J. Willen, Vors.

Programm der Preisverleihung am 30.10.2011.   

  • Begrüßung durch Herrn Heiner J. Willen  
    Vorsitzender des Edith-Stein-Kreises Göttingen
  • Grußworte von Wilhelm Gerhardy,
    Bürgermeister der Stadt Göttingen
  • Grußworte von Dr. Monika Pankoke-Schenk
    Vors. d. wissenschaftl. Beirats der Edith-Stein-Gesellschaft
  • Laudatio Dr. Heinrich Mussinghoff  
    Bischof von Aachen 
  • Übergabe des Preises
    Vorstand und Bernd Langer, komm. Dechant
  • Die Urkunde   
  • Antwort des Preisträgers Dr. h.c. Henry G. Brandt
    Landesrabbiner em.
  • Glückwünsche überbrachten:
           Jacqueline Jürgenliemk, Jüdische Gemeinde Göttingen 
           Dr. Mary Heidhues, Internat. Jüd.-christl. Bibelwoche
  • Musik: Daniel Kempin
  • Einladung zur Begegnung 
  • Weitere Fotos der Preisverleihung: 
  • Interview Stadtradio Göttingen  (mp3-Datei zum Nachhören)
  • Pressebericht  (kpg)

Eröffnung und Begrüßung

durch Herrn Heiner J. Willen, 
Vorsitzender des Edith-Stein-Kreises Göttingen

Foto: K. Wehr

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

liebe Mitglieder und Freundinnen und Freunde des Edith-Stein-Kreises,

im Jahre 2006 kam es zur ersten Begegnung der deutschen Rabbinerkonferenz mit der deutschen Bischofkonferenz. Der katholische Redner Walter Kardinal Kasper, der im Vatikan u.a. für die Beziehungen zum Judentum zuständig war,  sprach das sensible Thema „Judenmission“ an – und zwar in einer Art und Weise, wie Rabbiner Homolka berichtet, dass für die Rabbiner im Raume stand, ob etwa „das jüdische Volk den universalen Heilsanspruch anerkennen (müsse), den die katholische Kirche für Jesus als Christus in Anspruch nimmt?“ Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Henry Brandt antwortete Kardinal Kasper: „... jede Idee, jeder Anflug der Möglichkeit einer Judenmission (ist) quasi ein feindlicher Akt, eine Fortsetzung der Untaten Hitlers den Juden gegenüber auf anderer Ebene. Das ist hart, aber ehrlich gesagt, denn so wird es von uns empfunden.“  Brandt fuhr allerdings fort: „Freilich bedeutet dies nicht, dass Christen wie auch Juden nicht verpflichtet wären, unter Bedingungen der Freiheit Zeugnis für ihren Glauben abzulegen.“ Dazu gehöre auch, dass jemand sozusagen die Seiten wechsele, konvertiere – und zwar in beide Richtungen. „In einer freien Gesellschaft muss dieses Risiko akzeptiert werden.“ Judenmission sei aber etwas ganz anderes. (Walter Homolka, Kennenlernen – Wertschätzung – Zusammenarbeit, in: Politik und Religion, Der Papst in Deutschland, hrsg. von Hans-Gert Pöttering, Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. 2011, S. 52 ff)

Heute Abend wird Ihnen verehrter, lieber Herr Rabbiner Brandt, der Edith-Stein-Preis 2011 überreicht. Ich heiße Sie ganz herzlich in Göttingen willkommen, in der Stadt, in der sie als Niedersächsischer Landesrabbiner von 1983 bis 1995 auch für unsere jüdischen Mitbürger zuständig waren.

Der Vorsitzende der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum der Deutschen Bischofskonferenz und Teilnehmer dieser Begegnung im Jahre 2006 war der Bischof von Aachen, Dr. Heinrich Mussinghoff. Er kennt Rabbiner Brandt seit langem und ist mit ihm in unterschiedlichen Zusammenhängen im Dialog. Er hat sich immer wieder mit Edith Stein beschäftigt und ist von daher der ideale Laudator unseres Edith-Stein-Preisträgers. Bis vor kurzem war Bischof Mussinghoff auch stellvertr. Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Wir freuen uns sehr, dass Sie so bald in das Bistum ihres Nachfolgers in dieser Position gekommen sind und begrüßen Sie im Südzipfel des Bistums Hildesheim.

Als Vorsitzender des Edith-Stein-Kreises will ich mich heute Abend bei den Mitgliedern unseres Vorstandes bedanken für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Gemeinsam mit

meiner Stellvertreterin Gabriele Braun,

unserer Schatzmeisterin Inge Rehberg,

dem Vorstandsmitglied Elke Lahmann

und den beiden Ehrenmitgliedern Dr. Mary Heidhues und Dr. Marianne Zingel  heiße ich Sie alle heute Abend herzlich willkommen.

Bitte sehen Sie mir nach, dass ich in diesem Jahr nur Beteiligte persönlich nenne. Ich finde es wichtig, dass Sie auch einmal erfahren, wer im Vorstand des Edith-Stein-Kreises und in seinem Kuratorium ehrenamtlich mitarbeitet.

Der Göttinger Edith-Stein-Preis „würdigt über nationale, konfessionelle und religiöse Grenzen hinweg Persönlichkeiten, Gruppierungen und Institutionen, die sich durch Grenzüberschreitungen in ihrem sozialen, politischen, gesellschaftlichen und religiösen Engagement in hervorragender Weise ausgezeichnet und bewährt haben“. Für die Wahl des Preisträgers ist unser Kuratorium zuständig und hat in diesem Jahr einstimmig Henry Brandt gekürt. Bis auf einen sind heute Abend alle Kuratoriumsmitglieder da. Ich begrüße

als Vertreter der Stadt Göttingen Bürgermeister Wilhelm Gerhardy,

als Vertreterin des evangelischen Kirchenkreises die stellvertr. Superintendentin Dr. Dagmar Henze,

für die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dr. Bettina Kratz-Ritter,

für das Dekanat Göttingen den bisherigen komm. Dechanten Bernd Langer

und für den Dekanatspastoralrat Dr. Corinna Morys-Wortmann.

Aus der Universität Göttingen arbeitet im Kuratorium Prof. Dr. Heinrich Detering mit, der bedauert– wegen einer Gastprofessur im dänischen Odense – heute nicht hier sein zu können. Er ist vorgestern  zum Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gewählt worden. Dazu gratuliere ich ihm herzlich.

Beteiligt an dieser Preisverleihung sind auch Dr. Monika Pankoke-Schenk, die ein Grußwort der Edith-Stein-Gesellschaft überbringt, und Jacqueline Jürgenliemk, die Vorsitzende unserer Jüdischen Gemeinde.

Und ein besonderes Willkommen gilt den Wülfinghäuser Schwestern, Preisträgerinnen des Jahres 2007.

Wir freuen uns sehr, Daniel Kempin zu Gast zu haben. Vielen Göttingern ist er kein Unbekannter. Immer wieder tritt er in unserer Stadt auf – erst im Frühsommer diesen Jahres in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde. Kempin pflegt seit vielen Jahren  die Tradition des Jüdischen Liedes und ist dafür zweimal mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet worden. International ist er einer der wenigen konzertanten Gittaristen, die auf hohem Niveau jiddische Musik vortragen können. Wir sind sehr dankbar, dass Sie, lieber Herr Kempin, uns mit ihrer Kunst erfreuen werden.

Der Schünemann-Stiftung danke ich für die großzügige Unterstützung, die es erst möglich gemacht hat, Daniel Kempin einzuladen.

Gleichzeitig danke ich auch allen Mitgliedern unseres Edith-Stein-Kreises und allen Spenderinnen und Spendern, die entscheidend dazu beitragen, dass wir alle zwei Jahre die Preisverleihung feiern können.

Ich verhehle Ihnen nicht, dass wir noch mehr Unterstützung gebrauchen können. Auf Ihren Plätzen, meine Damen und Herren, liegt der Flyer des Edith-Stein-Kreises. Angehängt ist eine Beitrittserklärung. Mit 25,- € Mitgliedsbeitrag im Jahr unterstützen Sie uns, wenn sie Mitglied bei uns werden. Sie helfen mit, an Leben und Werk Edith Steins zu erinnern, die von 1913 bis 1916 hier in Göttingen studiert hat.

Seit November 2009, seit der Verleihung des Edith-Stein-Preises an Sr. Karoline, sind zwei Edith-Stein-Preisträger gestorben.

Am 30. März 2010 verstarb der em. Bischof von Hildesheim Dr. Josef Homeyer. Er war Edith-Stein-Preisträger des Jahres 2005 und wurde für seinen Einsatz um Versöhnung mit Osteuropa und seine Bemühungen um eine Verständigung mit der Orthodoxie geehrt.

Am 08. Juli diesen Jahres starb Prof. Dr. Joop Bergsma, früher hochgeschätzter Dechant in Göttingen und Propst in Hannover. Mit ihm hat Henry Brandt lange Jahre sehr gut zusammengearbeitet. Joop Bergsma wurde 1997 für seinen Einsatz in der Ökumene mit dem Edith-Stein-Preis ausgezeichnet.

Darf ich Sie bitten, zum Gedenken und stillen Gebet für die beiden Verstorbenen sich einen Moment zu erheben.

Herzlichen Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde des Edith-Stein-Kreises,

In einem jüdischen Elternhaus in Breslau aufgewachsen hat sich Edith Stein als Jugendliche vom Glauben an Gott losgesagt. Sie wurde Atheistin. In einem langen Prozess, der in Göttingen während ihrer Studienzeit begann, fand sie den Weg zurück zum Glauben an Gott. Am 1. Januar 1922 wurde sie katholisch getauft. Soweit wir das wissen, hat sich Edith Stein Zeit ihres Lebens immer auch als ein Kind des Jüdischen Volkes begriffen, nicht nur als Katholikin.

Ich bin froh, dass wir uns heute als Juden und Christen als Schwestern und Brüder des einen Gottes begreifen. Ich lade sie dazu ein, heute Abend auch das zu bedenken – dabei aber nicht zu vergessen, dass wir zusammen gekommen sind, den em. Landesrabbiner Dr. Henry G. Brandt als 9. Edith-Stein-Preisträger zu feiern.

Ich danke Ihnen.

Göttingen, 30.10.2011

Heiner J. Willen   Edith-Stein-Kreis

 

Grußwort

Grußwort Wilhelm Gerhardy,

Bürgermeister der Stadt Göttingen

überbrachte Grußworte der Stadt Göttingen

(Redetext)

Foto: K. Wehr

Foto: K. Wehr

Grußworte

sprach auch die Vorsitzende des

wissenschaftlichen Beirats der Edith-Stein-

Gesellschaft Deutschland,

Dr. Monika Pankoke-Schenk

(Redetext)

Foto: K. Wehr

Foto: K. Wehr

Laudatio

Die Laudatio auf den Preisträger hielt

Dr. Heinrich Mussinghoff

Bischof von Aachen

(Redetext)

Foto: K. Wehr

Foto: K. Wehr

Übergabe des Preises

Foto: K.Wehr

Foto: K.Wehr


Urkunde

URKUNDE

 

Der Edith-Stein-Kreis e.V. verleiht den

Göttinger Edith-Stein-Preis 2011

an

Landesrabbiner em.

Dr. h.c. Henry G. Brandt

Augsburg

 

Der Göttinger Edith-Stein-Kreis würdigt mit dem Edith-Stein-Preis 2011 das herausragende Engagement von Rabbiner Brandt im interreligiösen Dialog mit Christen, aber auch mit Muslimen. Er hat daran mitgewirkt, die Grenzen, die Religionen über Jahrhunderte aufgebaut haben, zu überschreiten und sich als Brückenbauer in hervorragender Weise ausgezeichnet und bewährt.

Seit 1985 setzt er sich als jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich – Jüdische Zusammenarbeit unermüdlich für die Verständigung zwischen Christen und Juden ein. Auch in der Zeit der Diskussionen um die neue Fassung der Karfreitagsfürbitte 2008 hat er den Gesprächsfaden zur katholischen Kirche nicht abreißen lassen und beim Osnabrücker Katholikentag mitgearbeitet. Er wirkt seit langem mit als Mitglied des Gesprächskreises Juden – Christen im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und bei den jährlichen Gesprächsrunden Rabbiner – (ev. und kath.) Bischöfe in Deutschland. Als zuständiger Landesrabbiner in Niedersachsen (1983 – 1995) hat er dazu beigetragen, dass die Jüdische Gemeinde Göttingen 1994 neu gegründet werden konnte.

Göttingen, den 30. Oktober 2011

für den Vorstand des Edith-Stein-Kreises e.V.

Heiner J. Willen, Vors.

 

Der Preisträger

Henry Brandt antwortet und bedankt sich.

(Redetext)

Foto: K. Wehr

Foto: K. Wehr

Glückwünsche überbrachten:

 

Jacqueline Jürgenliemk,

Jüdische Gemeinde Göttingen

(Redetext)

 

Foto: K. Wehr

Foto: K. Wehr

 

Dr. Mary Heidhues,

Internat. Jüd.-christl. Bibelwoche

(Redetext)

Foto: K. Wehr

Foto: K. Wehr

weitere Fotos:

Daniel Kempin umrahmte die Veranstaltung virtuos mit Gesang jiddischer Lieder zur Gitarre.

Fotos: K. Wehr

Daniel Kempin sang und spielte bei der Edith-Stein-Preisverleihung

Der Sänger und Gittarist ist kein Unbekannter in Göttingen. Seit 10 Jahren tritt er immer wieder einmal in der Reformierten und der Jüdischen Gemeinde mit seinen Liedern auf und erarbeitet in workshops mit den Teilnehmenden osteuropäisches jüdisches Liedgut. Diese Klezmer-Tradition pflegt Kempin seit vielen Jahren und ist dafür zweimal mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet worden. International ist er einer der wenigen konzertanten Gittaristen, die auf hohem Niveau jiddische Musik vortragen können.

Der Edith-Stein-Kreis e.V. ist dankbar, dass Daniel Kempin es sich nicht nehmen ließ, dem Edith-Stein-Preisträger Rabbiner Brandt seine Reverenz zu erweisen. Wir danken der Schünemann-Stiftung für die Unterstützung.

 

 www.daniel-kempin.de

Foto: Simon

 

 

Einladung zu Begegnung und Gespräch

Mit Getränken als Erfrischung war dann viel Zeit für Kontakte und Gespräche
mit dem Preisträger und vielen Gästen.

 

 

 

Interview: gesendet vom Stadtradio Göttingen 

Das Interview führte Frau Tina Fibiger vom Stadtradio Göttingen. 

Haben Sie die Lautsprecher eingeschaltet, dann...  

Starten Sie hier die mp3-Datei zum Nachhören. 

Wir bedanken uns für die Erlaubnis zur Übernahme beim ´Stadtradio Göttingen´.

 

 

 

Pressebericht (kpg)

„Zu spät, auf Nummer Sicher zu gehen“
Ehemaliger Landesrabbiner Henry G. Brandt erhält Edith-Stein-Preis


Göttingen (kpg) – Der ehemalige niedersächsische Landesrabbiner Henry G. Brandt ist im Alten Rathaus von Göttingen mit dem Edith-Stein-Preis geehrt worden. Er ist der erste Vertreter jüdischen Glaubens, der die Auszeichnung bekommt.

In einer Sache waren sich alle Anwesenden einig: Es sei keinesfalls selbstverständlich, dass Brandt diesen Preis annehme. Das betonten Göttingens Bürgermeister Wilhelm Gerhardy und Dr. Monika Pankoke-Schenk, die Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Edith-Stein-Gesellschaft, in ihren Grußworten sowie der Aachener Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff in seiner Laudatio auf den Preisträger. Schließlich sei die Jüdin Edith Stein nach einer Phase der gänzlichen Abkehr von aller Religion zum Katholizismus konvertiert. Der Preisträger selbst konterte charmant: „Der sicherste Weg wäre gewesen, dankend abzulehnen. Aber in meinem Alter ist es zu spät, auf Nummer Sicher zu gehen“, so der 84-Jährige, der mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern zur Verleihung angereist war.

Tatsächlich habe er zunächst Zweifel gehabt, den Preis anzunehmen, da die Person Edith Stein im Judentum nicht unumstritten sei. So könne er ihren Weg zum Katholizismus nicht absegnen, aber er könne ihn respektieren. „Denn wer kann sich schon wirklich in das Herz einer anderen versetzen?“ Den Preis anzunehmen, sei für ihn darüber hinaus nicht zuletzt „eine Chance der Geschwisterlichkeit“ gewesen.

Für eben dieses Bemühen um Verständigung zwischen Judentum und Christentum wurde Brandt geehrt. Als Landesrabbiner in Niedersachsen (1983 bis 1995) habe er dazu beigetragen, dass die Jüdische Gemeinde in Göttingen neu gegründet werden konnte. Auch in schwierigen Zeiten – etwa bei der Debatte um die Neufassung der Karfreitagsfürbitte 2008 – habe er den Gesprächsfaden zur katholischen Kirche nicht abreißen lassen, so das Kuratorium des Edith-Stein-Kreises. Andere Vertreter jüdischen Glaubens hatten aus diesem Grund eine Teilnahme am Katholikentag in Osnabrück abgelehnt. Brandt hielt dagegen: „Gerade jetzt darf das Gespräch nicht abgebrochen werden.“

Diese „ausgeprägte Gesprächsbereitschaft“ lobte auch Laudator Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff, Vorsitzender der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum der Deutschen Bischofskonferenz. Dass sich das christlich-jüdische Verhältnis seit dem Zweiten Weltkrieg „dramatisch verbessert“ habe, sei vor allem den Menschen zu verdanken, die trotz der Erfahrung der Shoah aufeinander zugegangen seien, so Mussinghoff. „Das erfüllt uns Christen noch heute mit großer Dankbarkeit. Und in diesen Dank schließe ich Sie mit ein“, so der Bischof, der den Preisträger am Ende seiner Laudatio auch auf Hebräisch würdigte: „Gesegnet sei Gott, dass er uns Henry Brandt gegeben hat.“

Henry G. Brandt wurde 1927 in München geboren. 1939 floh er mit seiner Familie nach Palästina. Nach dem Militärdienst in Israel studierte er zunächst Wirtschaftswissenschaften in Belfast. Nach Tätigkeiten als Marktanalytiker begann er im Alter von 30 Jahren ein Studium am Leo-Baeck-College in London. 1961 erwarb er das Rabbinerdiplom und leitete Gemeinden in Leeds, Genf, Zürich und Göteborg. Von 1983 bis 1995 war er Landesrabbiner in Niedersachsen, von 1995 bis 2005 Landesrabbiner von Westfalen-Lippe. Brandt ist seit 1985 jüdischer Vorsitzender des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Außerdem ist er Mitglied im Gesprächskreis „Christen und Juden“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Der Edith-Stein-Preis wird alle zwei Jahre in Göttingen verliehen. Die Auszeichnung besteht aus einer Medaille mit der Inschrift „Unsere Menschenliebe ist das Maß unserer Gottesliebe“ sowie einem Preisgeld von 5000 Euro. Mit dem Preis ehrt der Edith-Stein-Kreis Personen und Institutionen, die sich durch Grenzüberschreitungen in ihrem sozialen, politischen und gesellschaftlichen Engagement bewährt haben. Zu den bisherigen Preisträgern gehören das Maximilian-Kolbe-Werk, die Bruno-Hussar-Stiftung, Schwester Karoline Mayer, der Hildesheimer Altbischof Dr. Josef Homeyer und der ehemalige Göttinger Dechant Prof. Dr. Joop Bergsma. Die mittlerweile Verstorbenen Homeyer und Bergsma ehrten die Anwesenden in einer Gedenkminute.

Wir bedanken uns für die Erlaubnis zur Übernahme, 
bei Stefanie Behnke, Katholische Pressearbeit Dekanat Göttingen.